Der Schriftsteller Dr. Julian Schutting zu den Arbeiten der Ausstellung „Ritter, Tod und Teufel“

Was mir vor Florian Schaumbergers Objekten als erstes durch den Kopf gegangen ist?

„Wüsste man nicht Bescheid, wie Kriege in hochzivilisierten Kulturen in den Zeiten gewesen sind, die noch nicht menschenverachtende (= Menschen zu Angriffszielen anonymisierende Techniken) kannten, so hätte man hier in ihrer Verdinglichung die Brutalität der Ritterkriege vor sich, auch die der Antike: von den im Kampf Umgekommenen seien, aus den Schlachtfeldern die zerschmetterten Schutzhüllen ihrer Körperhüllen von Archäologen ans Licht geholt worden, aber noch als Kopf-, Arm- und Beinschutz erkennbar, wie auch der Kopfschutz der Pferde, nämlich so, als hätte man die ihnen durchs Metall hindurch zerschlagenen Extremitäten vor sich, und hätten sie die sich im schwerfälligen Sturz gebrochen. diesem Pferd hat der Widersacher so unritterlich, wie es sich unter Kämpfenden ziemt, den Schädel gespalten! „Die Antiquiertheit des Menschen“, so Günter Anders über den längst der modernen Technik unterlegenen Menschen, hier aber wäre zu sagen: Die Zertrümmerung des Menschen, die lang vor unserer Zeit begonnen hat. Aus all diesen Fragmenten, aus diesen fragil wie Schneckenhäuser anmutenden Torsi haben wir uns ein Bild des nicht ausgestorbenen, weil noch nicht in seiner Gesamtheit vernichteten Menschen wiederherzustellen – . die Kunst hat nur zu konstatieren, kollektive Ängste ins Extrem zu treiben, am besten intentionslos (als ein Gast von einem friedlichen Stern zugekehrt, ginge einem vor diesen Skulpturen ganz von selbst auf, wie viel Selbstvernichtungspotential die Erdenbewohner in sich haben).“

„Man kann diese aus Eisen geschmiedete Objekte, die Kunst erlaubt ja viele Deutungen, auch anders betrachten, ohne sie auf ihr spezifisch Ästhetisches zu reduzieren: wird hier der ausgestorbenen Menschheit ein Nachleben gesichert, in ihren von einem Überlebenden metallisierten, auf Müllhalden nicht verrotteten Schuhen und Stiefeln aus Kunststoffmaterial, beispielsweise? Oder hat man da, wieder wie Fossilien, die da aber nicht versteinert, sondern ‚vermetallt‘, ‚vereisent‘ sind, Vegetabiles vor sich, das sich im Prozeß der Metamorphose von Natur zu Kunst vergrößert hat, etwa Samenkapseln, etwa Kirschbaumrinde Gewesenes, der Verwesung entkommen wie in naturgeschichtlichen Sammlungen Wohlpräpariertes? Vegetabiles als Restbestände einer vorm Hinsterben an einer verseuchten Luft ins Hypertrophe missratenen Natur, aufgeschwollen und gebläht die fruchtlosen Schoten geplatzt und wie Schutzbandagen die Rinden zerfetzt der verstümmelt wie Armstümpfe unter der Asche der Wälder noch vorhandenen Baumrelikte? artifizielle Naturdenkmäler? hatte mich vor diesen Gebilden zu hüten vor dem ja ungerechten Gedanken: einzig die Manifestation von Konkretem u. Abstraktem in all den hier gezeigten Erscheinungsformen wird dem gerecht, was man von heutiger Kunst erwarten darf an Sichtbarmachung von selbst im Hervorbringer im Tiefschlaf gehaltenen kollektiven Erinnerungsbildern an lang vor unserer Zeit der Menschheit Widerfahrenes! (Und dürften einem etwa nicht während der Betrachtung dieser ins Eisenkalte zurückgenommenen, vermutlich nichts als sich selbst meinenden Kunstobjekte Filmbilder aufsteigen von den Baggerschaufeln, die nach der Eroberung des Vernichtungslagers Bergen-Belsen durch amerikanische Soldaten aus der Erde ans Licht geholt haben, wovor man sofort die Augen geschlossen hat?)“

Dr. Julian Schutting,
anlässlich der Ausstellung im JesuitenFoyer Oktober/November 2012

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Gustav Schörghofer SJ zu den Arbeiten der Ausstellung „Ritter, Tod und Teufel“

„Das Studium bei Joannis Avramidis hat Florian Schaumberger sicher geprägt. Als eine mögliche Anknüpfung für das, was er später weiter entwickelt hat, können die Bandfiguren von Avramidis betrachtet werden. Diese Skulpturen werden aus im Querschnitt quadratischen Metallbändern geformt. Sie erlauben eine Dynamisierung der bei Avramidis sonst eher statischen Gestalt. Während die Figuren von Avramidis auf eine fiktive Ebene bezogen sind, stellen jene von Schaumberger Bündelungen im Raum dar. Die Figur wird bewegt, greift aus. Das Bewegte, Dynamische, Ausgreifende ist typisch für die Figuren von Florian Schaumberger. Ganz anders als Avramidis geht er aber von vorgefertigtem Material, Formrohren, Platten und Stäben, aus. Er biegt, bündelt, schneidet und verschweißt dieses Material. Immer geht es um die Figur, die anfänglich vor allem aus Vierkantstäben und Formrohren geschaffen wird. So sind Kleinskulpturen entstanden, 20 bis 30 cm hohe monumentale Gebilde. Sie können ins Riesige übertragen werden, wie Schaumbergers Skulptur vor dem Druckereigebäude der Oesterreichischen Nationalbank. Oder das Denkmal der Exekutive auf dem Wiener Heldenplatz, dessen Starre so intensiv wirkt, da in ihr die Dynamik der Skulptur gewissermaßen erstarrt ist.

Etwa ab 2000 werden mit dem Schneidbrenner geschnittene Stahlplatten bei Schaumberger zu zersplitterten Figuren zusammengefügt. Sie sind durch einen Prozess der Zerstörung hindurch gewonnen worden, nicht einfach Zeugen blinder Gewalt, sondern Darstellungen neuer Ordnung, die allerdings viel labiler ist als die der alten Figuren. In den letzten Jahren werden die aus dem etwa 1 cm starken Stahl herausgeschnittenen Platten geschmiedet. Ganz neu ist ihre Anordnung auf einer rechteckigen Stahlplatte. So entsteht ein Relief, oder, wie Florian Schaumberger es nennt, ein Tafelbild.

Zu allem, was man sich unter Tafelbild vorstellen mag, stehen diese Gebilde in einem merkwürdigen Gegensatz. Aber auch als Relief, eine aus einem Grund heraus entwickelte plastische Form, sind sie nur unzulänglich beschrieben.

Denn es handelt sich eigentlich um zwei verschieden Zustände des gleichen Materials. Einmal ist die Stahlplatte unversehrt, ein andermal zerschnitten und geschmiedet. Während die bearbeiteten Teile eine schwarz behandelte Oberfläche haben und geschützt wirken, ist die Platte korrodiert, vom Rost zerfressen. Verbunden ist beides im Zustand des Angegriffenen, Verletzten. Das wiederum wird von den geschmiedeten Teilen in der Art eines Schreis dargestellt, von der Platte des Grundes in der Art eines Schweigens, einer Stille. Das Zusammenwirken all dieser Gestaltungselemente verleiht den Skulpturen ihre Eindringlichkeit, weit über alles Anekdotische hinaus, das mit den zerfetzten Formen verbunden werden könnte. Noch etwas ist zu bemerken: Der geschmiedete Stahl bildet nicht bloß etwas Zerrissenes ab, er schafft zugleich Innenräume, Schutzzonen. Das Eisen umfängt etwas, so wie schützende  Arme sich um etwas legen und etwas bergen. Unverkennbar bilden auch die zerfetzten Teile der neuen Arbeiten eine Figur. Es ist die Figur des Schutzes, des bergenden Innenraums, die durch Zerstörung hindurch bestehen bleibt und möglicherweise erst in äußerster Gefahr zu erfahren ist.“

Gustav Schörghofer SJ